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„Elektrosmog kann schnell ein irreführender Begriff werden.“ – Interview mit Prof. Matthias Wuschek

Prof. Dr.-Ing. Matthias Wuschek von der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) über die Relevanz des Stromnetzausbaus in Deutschland, Grenzwerte bei Stromleitungsimmissionen und wichtige Unterschiede zwischen elektrischen und magnetischen Feldern.

Ich halte den Stromnetzausbau für dringend nötig – auch, weil unser Stromnetz in den vergangenen Jahrzehnten kaum ausgebaut und modernisiert worden ist.

Prof. Dr.-Ing. Matthias Wuschek

Herr Prof. Dr. Wuschek, ist Ihrer Ansicht nach der Stromnetzausbau in Deutschland nötig?

Ich halte ihn für dringend nötig – auch, weil unser Stromnetz in den vergangenen Jahrzehnten kaum ausgebaut und modernisiert worden ist. Mittlerweile wird es aber höchste Zeit, weil sonst die Versorgungssicherheit auf dem Spiel steht. Es ist nun mal so, dass Norddeutschland die wichtigste Region für Energie aus erneuerbaren Quellen ist. Und der dort produzierte Wind- und Solarstrom muss in den erforderlichen Größenordnungen verlässlich in alle anderen Regionen Deutschlands gelangen. Dafür braucht es den Netzausbau.

Netzausbau-Kritiker sagen, Versorgungssicherheit funktioniere auch mit dezentraler Energieversorgung. Das heißt, der Strom könne dort hergestellt werden, wo er benötigt wird. Deshalb bräuchte es den Netzausbau gar nicht.

Das ist eine sehr gewagte These. Sie stimmt vielleicht in ein paar Jahrzehnten, aber nicht heute oder in naher Zukunft. Nochmal: Ein Industrieland wie Deutschland braucht 99,9-prozentige Versorgungssicherheit – auch in kalten Wintern mit wenig Sonne und an Tagen mit wenig Wind. Dies haben kompetente Fachkollegen von mir aus der Energietechnik und der Energieversorgung in fundierten Gutachten umfassend dargelegt.

Ich vertraue da dem Wohnumfeldschutz in Deutschland.

Prof. Dr.-Ing. Matthias Wuschek

Dennoch fürchten manche Menschen, die in der Nähe neuer Freileitungen wohnen, um ihre Gesundheit.

Ich vertraue da dem Wohnumfeldschutz in Deutschland. Neue Erdkabel beziehungsweise Freileitungen verlaufen ja nicht durch oder über Wohngrundstücke, sondern in ausreichendem Abstand.

Manche Stromleitungen sind durchaus nah dran an Wohngegenden oder überspannen diese sogar.

In aller Regel dürften zuerst die Stromleitungen dagewesen sein – und in Kenntnis dieser Tatsache kamen später die Gebäude und ihre Bewohner dazu. Wir dürfen auch nicht die in Deutschland geltenden gesetzlichen Grenzwerte für elektrische und magnetische Felder vergessen, die auf Wohngrundstücken in der Umgebung der Leitungen einzuhalten sind. Und diese werden dort nicht nur eingehalten, sondern meist noch deutlich unterschritten.

Sind Sie sicher, dass die Grenzwerte ausreichen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden?

Besser als Ingenieure wie ich können diese Frage jene Gesundheitsexperten beantworten, die sich damit tagtäglich befassen. Und diese sagen eindeutig, dass die Grenzwerte uns vor allen nachgewiesenen negativen Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder schützen. Auch deshalb bin ich mir sicher. Die Grenzwerte wurden ja nicht willkürlich festgelegt, sondern auf Basis wissenschaftlicher Kompetenz verschiedener Fachbereiche.

Wie stark sind Magnetfelder, die von neu gebauten Freileitungen aus in Gebäude eindringen, im Vergleich zu Magnetfeldern im Haushalt?

Bei den üblicherweise bei Leitungsneubauten gewählten Abständen zu Wohngebieten meist sogar schwächer als jene Magnetfelder, die in Wohnhäusern mit Willen und Wissen der Bewohner entstehen – am Elektroherd in der Küche zum Beispiel.

Wir sprechen bislang nur von magnetischen Feldern. Die Bezeichnung elektromagnetische Felder kommt in Diskussionen um den Stromnetzausbau auch häufig vor. 

Stimmt. Korrekterweise unterscheiden wir im Energiebereich allerdings zwischen elektrischen und magnetischen Feldern. Die existieren getrennt voneinander und „strahlen“, wie Laien es oft nennen, deshalb nicht besonders weit. Zudem werden elektrische Felder von Stromleitungen etwa durch Baumbestand, Erdreich und Gebäudemauern sehr stark abgeschirmt. Die sind in Gebäuden typischerweise dann kaum noch vorhanden. Dagegen lassen sich magnetische Felder nur unwesentlich von gewöhnlichen Gebäudemauern aufhalten. Aus diesem Grund hat man bei Stromleitungen meist die Magnetfelder mehr im Fokus als die elektrischen Felder.

Wie ist das eigentlich bei Funkwellen? Anders als bei Stromleitungen?

Ganz anders: Beim Funk gibt es tatsächlich sogenannte elektromagnetische Wellen beziehungsweise Felder. Denn eine Wellenausbreitung in größere Entfernungen, wie sie zum Beispiel für den Mobilfunk nötig ist, funktioniert nur mit diesen elektromagnetischen Wellen. Hier sind die elektrischen und magnetischen Felder nicht unabhängig voneinander wie bei Stromleitungen, sondern miteinander gekoppelt. Ohne elektromagnetische Wellen keine Telekommunikation!

Kein Wunder, dass es so viel Elektrosmog gibt …

Mit diesem Begriff sollten wir ebenfalls vorsichtig sein.

„Elektrosmog“ kann also schnell ein irreführender Begriff werden.

Prof. Dr.-Ing. Matthias Wuschek

Warum?

„Smog“ gehört in den Bereich der Luftverschmutzung. Denken wir nur an Autoverkehr und Industrieanlagen. Smog entsteht durch schädliche Abfallprodukte. Dazu zählen jedoch nicht die elektromagnetischen Wellen für die drahtlose Kommunikation. Die angesprochenen elektromagnetischen Wellen sind nötige Infrastruktur – sie transportieren die Informationen.

Und elektrische und magnetische Felder von Stromleitungen transportieren Energie. Die Felder sind also für die Informations- bzw. Energieübertragung unverzichtbar. „Elektrosmog“ kann also schnell ein irreführender Begriff werden.

Beim Stromnetzausbau gibt die Bundesregierung Erdleitungen teilweise den Vorrang vor Freileitungen. Eine gute Entscheidung?

Grundsätzlich ja, weil wir Erdleitungen optisch nicht wahrnehmen und sie auch bezüglich der Geräusch- und Feldemissionen günstiger sind. Sie liegen ja unter der Erdoberfläche.

Allerdings kostet ihre Verlegung viel mehr als der Bau von Freileitungen.

Richtig. Wir Stromkunden sollten uns bewusst darüber sein, dass wir den deutlich höheren Preis für Erdleitungen mit unseren Stromrechnungen finanzieren.

Vielen Dank für das Gespräch

November 2020

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