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Das deutsche Stromnetz und Europa: 4 Begriffe und was sie bedeuten


Deutschland baut sein Übertragungsnetz aus, um den Süden und Westen Deutschlands optimal mit Windstrom aus Norddeutschland versorgen zu können. Warum spielt auch Europa eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende?

Der Ausbau des deutschen Stromnetzes dient in erster Linie dazu, den erwarteten Strombedarf in Deutschland zu decken, insbesondere in den industriestarken und bevölkerungsreichen Regionen Süd- und Westdeutschlands. Der Strom aus erneuerbaren Quellen steht nicht wie der aus Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken plan- und steuerbar rund um die Uhr zur Verfügung, denn die Erzeugung aus Wind und Sonne hängt von Wetter und Tageszeit ab. Zudem ist die Ausbeute an erneuerbarem Strom regional sehr unterschiedlich: Besonders ertragreich und wirtschaftlich sind Windkraftanlagen in Nord- und Ostdeutschland sowie in der Nord- und Ostsee. Anders sieht es beim Strombedarf aus: Dieser ist vor allem in West- und Süddeutschland sehr hoch, wo besonders viele Menschen leben und energieintensive Industriestandorte liegen.

Damit diese Regionen zuverlässig Strom erhalten und insbesondere nach Abschaltung der letzten Kernkraftwerke bis Ende 2022 keine Stromlücke entsteht, müssen die Netzbetreiber den Strom aus Regionen, die viel erneuerbare Energie erzeugen, dahin transportieren, wo er gebraucht wird – zumeist also vom Norden und Nordosten Deutschlands in den Süden und Westen. Bislang kann er aufgrund noch fehlender innerdeutscher Übertragungsnetze nicht in die Verbrauchszentren im Süden und Westen Deutschlands gelangen. Im Zuge der Energiewende müssen die Übertragungsnetzbetreiber daher rund 12.200 Kilometer an Stromleitungen modernisieren oder neu bauen. [1]

Ein gut ausgebautes Stromnetz ermöglicht Deutschland auch Stromhandel mit seinen Nachbarstaaten. So können die Länder in Europa zukünftig die schwankende Erzeugung insbesondere durch immer mehr erneuerbaren Strom im Netz untereinander ausgleichen. Grüner Strom kann so sicher und bezahlbar zur Verfügung stehen. Netzknoten verbinden Wasserkraft in Skandinavien und den Alpenländern mit Windkraft und Photovoltaik in Deutschland: Mit „NordLink“ ging 2021 eine Verbindung zwischen Deutschland und Norwegen in Betrieb. Darüber können die Netzbetreiber deutschen Windstrom und norwegischen Strom aus Wasserkraft austauschen. So können die Pumpspeicherkraftwerke in Norwegen optimal zur Versorgung Deutschlands beitragen. Norwegen nutzt wegen seiner Lage am Meer mit steil abfallender Küste mehr Pumpspeicherkraftwerke als Deutschland. Der weitere Ausbau des EU-Netzgebietes hilft also dabei, die Klimaziele zu erreichen und Strom sicher und bezahlbar zur Verfügung zu stellen.

Weitere Informationen zu den im Text hervorgehobenen Begriffen:

1) Übertragungsnetze: Stromtransport deutschlandweit und grenzüberschreitend

Unser deutsches Stromnetz kann man mit einem Straßennetz vergleichen. Es lässt sich in verschiedene Ebenen unterteilen. Die Übertragungsnetze ähneln Stromautobahnen. Sie transportieren den Strom mit Höchstspannung über lange Distanzen. Anschließend gelangt der Strom über die Verteilnetze – also über kleinere Straßen und Wege – in die Regionen zum Endverbraucher. Übertragungsnetze sind also wichtig, um den Strom über große Entfernungen möglichst verlustarm direkt dorthin zu transportieren, wo er verbraucht wird. Sie ermöglichen einen deutschlandweiten und grenzüberschreitenden Stromtransport. Deutsche Übertragungsnetze sind über Kuppelleitungen an benachbarte europäische Übertragungsnetze angeschlossen. Übertragen wird der Strom bei Drehstrom mit einer Höchstspannung von 220 Kilovolt (kV) oder 380 kV, bei Gleichstrom mit bis zu 525 kV. [2]

2) Stromhandel: Deutschland tauscht Strom mit 11 europäischen Ländern aus

Deutschland ist im europäischen Strommarkt integriert und kann nicht als Insel betrachtet werden. Mit elf Ländern tauscht Deutschland Strom aus – Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Österreich, Tschechien, Polen – und über Seekabel auch mit Schweden und Norwegen. Diesen Austausch, also den Import und Export von Strom über Ländergrenzen hinweg, bezeichnet man als Stromhandel. Durch die europaweite Vernetzung ergeben sich für die Verbraucher niedrigere Strompreise, da an einem größeren Markt mehr Anbieter konkurrieren. Dadurch können wir in Deutschland den Strom immer da kaufen, wo er gerade am günstigsten produziert wird. Gleichzeitig können wir insbesondere erneuerbaren Strom, der den deutschen Bedarf an einem bestimmten Tag übersteigt, grenzübergreifend in die Regionen exportieren, in denen er zu diesem Zeitpunkt gebraucht wird. Das passiert z. B. wenn an Sommertagen ein Überschuss an PV-Strom anfällt, denn innerhalb des Stromnetzes kann der Strom nicht zwischengespeichert werden, sondern muss zwischen Erzeugern und Verbrauchern unmittelbar verteilt werden.

 

In Europa verfügt Deutschland über die höchste installierte Kraftwerksleistung. Es erzeugt und verbraucht am meisten Strom. 2021 war Deutschland mit insgesamt 17,4 Terrawattstunden erneut Nettostromexporteur, d. h. es exportierte in Summe mehr Strom, als es aus anderen Ländern importierte. Deutlich stieg dabei der Austausch mit den skandinavischen Ländern, deren Erneuerbaren-Anteil am Strommix zu den größten in Europa zählt. Ob Deutschland mehr Strom im- oder exportiert, hängt nicht nur von Angebot und Nachfrage im Inland, sondern auch von den Strompreisen der anderen EU-Länder ab. [3] [4] [5] [6]

3) Netzknoten: Interkonnektoren verbinden Deutschland und seine Nachbarn

Damit der Stromhandel in Europa länderübergreifend technisch reibungslos erfolgen kann, müssen die Mitgliedsländer ihre grenzüberschreitenden Stromverbindungen, die Netzknoten oder Interkonnektoren, weiter für den Stromhandel öffnen. Je nachdem, ob die Netzknoten über Land oder unter Wasser verlaufen, sind sie als Freileitung, Erd- oder Seekabel ausgelegt. Die länderübergreifenden Stromverbindungen unterstützen zudem die Stabilität unseres Energieversorgungssystems. Sie helfen, die Versorgungssicherheit zu erhöhen, und leisten somit einen wichtigen Beitrag dazu, dass der Strom verlässlich aus der Steckdose kommt.

 

Ziel der europäischen Strombinnenmarktverordnung ist die weitere Verstärkung und der Ausbau der Netzknoten. Um die EU-Vorgaben zu erfüllen, müssen sie im europäischen Stromversorgungssystem bis spätestens 2030 eine Gesamtkapazität von 50 Gigawatt (GW) erreichen. Bis 2040 steigt der Bedarf sogar auf insgesamt 93 GW. Beispiel für einen Netzknoten ist der 2020 in Betrieb genommene „NordLink“, eine rund 623 Kilometer lange Gleichstromleitung zwischen Deutschland und Norwegen mit 516 Kilometern als Seekabeltrasse. [7]

4) EU-Netzgebiet: Europa vernetzt sich auch beim Strom

Das deutsche Stromnetz ist im EU-Netzgebiet mit den Übertragungsnetzen anderer europäischer Staaten verbunden. Durch den großen europäischen Verbund können die benötigten Stromreserven kleiner und damit kostengünstiger gehalten werden, als wenn jeder europäische Mitgliedstaat eigene Reserven vorhalten müsste. Das Netzgebiet der EU umfasst fünf räumlich benachbarte und elektrisch verbundene Stromnetzgebiete: das kontinentaleuropäische Netzgebiet, die Netzgebiete Irlands und Großbritanniens, das Baltische Stromnetz sowie das Nordische Netz. Letzteres umfasst die Länder Norwegen, Schwe­den, Finnland, den Osten Dänemarks sowie Island. Das EU-weit synchronisierte Netzgebiet dient dem Austausch von elektrischer Energie zwischen den verschiedenen europäischen Netzbetreibern. So können die Betreiber Schwankungen im Verbrauch und in der Erzeugung besser ausgleichen.

 

Um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des europäischen Übertagungsnetzes für Deutschland und Europa zu gewährleisten, sind die 43 europäischen Übertragungsnetzbetreiber für Elektrizität im Verband „European Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E)“ über 36 Länder hinweg organisiert. Zu ihren Aufgaben gehört außerdem eine abgestimmte Netzentwicklung, für die die ENTSO-E alle zwei Jahre einen Zehnjahresplan erarbeitet. Dieser gewährleistet den zukünftig notwendigen Ausbau des gesamten EU-Übertragungsnetzes. [8] [9]

[1] www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Monitoringberichte/Monitoringbericht_Energie2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[2] www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/netze-und-netzausbau.html
[3] www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/strommarkt-der-zukunft.html
[4] www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/HandelundVertrieb/SMARD/Aktuelles/start.html
[5] www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/20220107_smard.html
[6] www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/paragraphs-files/NEP_Anhang_Aktualisierung_Februar_2022_0.pdf
[7]  www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2017/15/Meldung/direkt-erklaert.html
[8]  www.swp-berlin.org/en/publication/geopolitik-des-stroms-netz-raum-und-macht#BackToBackGlossar
[9] www.netzentwicklungsplan.de/de/entso-e

April 2022

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