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Dieses wird unabhängig durch das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) erhoben. (externe Internetseite).

Interview: Erdkabel-Leitungsbau und Landwirtschaft

Es ist beschlossene Sache: Die Gleichstromtrassen, die den im Norden erzeugten Windstrom in südlichere Bundesländer transportieren sollen, werden als Erdkabel gebaut. Was viele Bürgerinnen und Bürger freut, sorgt bei Landwirten für Bedenken. Noch ist nicht klar, welche Technologie verwendet wird und wie die Kabel verlegt werden. Allerdings ist bei den Ausmaßen der Trassen klar, dass die Eingriffe in den Boden nicht gering ausfallen werden. Wir haben Dr. Volker Wolfram, landwirtschaftlicher Gutachter für Leitungsbau, gebeten, uns die wichtigsten Fragen zur Bodenbelastung und zum Bodenschutz bei der Erdverkabelung zu beantworten.

Redaktion: Was bedeutet die Verlegung von Erdkabeln für die Böden? Welche Aspekte müssen im Einzelnen beachtet werden?

Dr. Wolfram: Grundsätzlich gibt es verschiedene Verlegearten. Bei der grabenlosen Verlegung wird mittels Pflug oder unterirdischer Bohrung das Kabel in die Erde gebracht. Bei dieser bodenschonenden Variante verbleiben Oberboden und Unterboden in ihrer Ausganslage. Sofern bei angemessenerer Witterung gebaut wird, können Bodenverdichtungen und -vermischungen ausgeschlossen werden.

Anders verhält es sich bei Baumaßnahmen wie SuedLink oder Raesfeld (Nordrhein-Westfalen). Hier wird bei einer Trasse von 30 bis 40 Metern Breite der Mutterboden vollständig oder streifenförmig abgetragen. Anschließend wird für den Verlegebereich ein Kabelgraben mit ein bis zwei Metern Breite an tiefster Stelle und vier bis fünf Metern Breite an der Erdoberfläche ausgehoben. Nach Verlegung des Kabels müssen die Erdschichten in umgekehrter Reihenfolge wieder eingebracht werden. Selbst bei sorgfältigster Bauweise kommt es dabei zu Bodenvermischungen und -verdichtungen. Der Ausgangszustand des Bodens lässt sich nur teilweise in seiner originären Form herstellen und benötigt nach Bauschluss noch Jahrzehnte, um sich zu regenerieren. Darauf wachsende Pflanzen reagieren in der Regel mit Wuchsdepressionen. Ein beständiges Normalwachstum ist nicht zu erwarten.
Inwieweit die ggf. entstehende Erwärmung der Erdoberfläche zu Beeinträchtigung des Wachstums führt, ist bisher völlig ungeklärt. Als nachgewiesen gilt, dass sich die Erntetermine um zwei bis drei Wochen verkürzen.

Redaktion: Wie kann man vor, während und nach der Bauphase sicherstellen, dass die Beschaffenheit des Bodens für die nachfolgenden Nutzungen nicht beeinträchtigt wird?

Dr. Wolfram: Bei derartigen Baumaßnahmen muss immer von zumindest leichten Beeinträchtigungen ausgegangen werden. Gleichwohl fällt dank heutiger Technik und Kenntnisstand die Bodenbelastung deutlich geringer als vor 20 Jahren aus. Hierzu gehört eine agrarbodenkundliche Baubegleitung, die vor der Baumaßnahme beginnt und erst nach Rekultivierungsmaßnahmen und ersten Ertragseinnahmen durch den Flächennutzer nach Beendigung der Baumaßnahme abgeschlossen ist.

Redaktion: Was ist für eine spätere land- oder forstwirtschaftliche Nutzung des Bodens unbedingt und besonders zu beachten?

Dr. Wolfram: Grundsätzlich gilt: Erdarbeiten nur bei angemessenen Bodenverhältnissen, d.h. in Zeiten möglichst geringer Niederschläge, durchführen. Wobei es hier keine allgemeingültige Niederschlagsmenge gibt. Je nach Struktur und Zusammensetzung verkraften Böden Niederschläge unterschiedlich. Ein Sandboden ist auch noch nach fünf Millimeter Regen kurze Zeit später befahrbar, ein schwerer Lehmboden benötigt dagegen bereits einen Tag Sonnenschein zum Abtrocknen. Im Ergebnis ist immer eine Einzelfallentscheidung erforderlich. Für die Baumaßnahme selbst sollten die Schönwetterperioden in den Monaten März bis Oktober genutzt werden. Um Hinweise zu Bodenverhältnissen von betroffenen Flächennutzern zu erhalten, müssen diese rechtzeitig über die Baumaßnahme informiert und einbezogen werden. Werden alle Vorgaben nach derzeitigem Kenntnisstand berücksichtig und umgesetzt, lassen sich Schäden auf ein Minimum reduzieren.

Redaktion: Wie stark wird der Boden durch HGÜ-Erdkabel erwärmt und kann dies Auswirkungen auf Fruchtfolge/Ernte haben. Wenn ja, welche?

Dr. Wolfram: In welchem Umfang durch HGÜ-Erdkabel Erderwärmungen entstehen, ist bisher unbekannt. Fest steht, dass Wärme abgeben wird. Zu den Temperaturwerten liegen unterschiedliche Aussagen vor. Zu den Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum sind die bisherigen Untersuchungen allerdings nur bedingt brauchbar. Aus Erfahrungen mit dem Gasleitungsbau lässt sich ein früheres Abtauen der Bereiche über dem Kabel ableiten. Fest steht auch, dass es zu früheren Ernteterminen kommt, gegebenenfalls ist das Erntegut zum normalen Erntetermin dann durch Pilze und andere Krankheiten nur noch bedingt brauchbar.

Selbst geringfügige Erwärmungen an der Erdoberfläche führen zunächst zu höheren Mineralisationsraten im Boden, da die Bodenlebewesen stärker aktiviert werden. Mit zunehmender Austrocknung reduzieren sich diese Aktivitäten jedoch und es kommt zu reduzierterem Pflanzenwachstum. Die Folge: weitere Ertragseinbußen.

Während man diese Ertragseinbußen bei herkömmlichen Leitungsbaumaßnamen inzwischen relativ gut abschätzen kann, fehlen hier exakte Messergebnisse zu den zusätzlichen Ertragsreduktionen. Erste Ergebnisse von der Versuchsbaustelle in Raesfeld sind frühestens 2020 zu erwarten.

Redaktion: Was versteht man unter einer „agrarbodenkundlichen Baubegleitung“ und warum ist diese notwendig?

Dr. Wolfram: Darunter versteht man die Betreuung von Bauprojekten durch fachkundige Personen, die dann aktiv werden, wenn die Baumaßnahmen zu erhöhten Belastungen des Bodens führen (Bau bei erhöhten Niederschlägen, nicht abgetrockneten Böden etc.). Dies führt zwangsläufig zu unterschiedlichen Ansichten über den weiteren Bauablauf.

Redaktion: In welchen Böden können/sollten keine Erdkabel verlegt werden und warum?

Dr. Wolfram: Ob eine Bodenart wirklich besser für Erdverkabelungen geeignet ist als eine andere lässt sich kaum sagen. Die Probleme der Wärmeabführung dürften sich auf leicht trocknen Böden problematischer darstellen, als beispielsweise auf Marschböden und stark wasserführenden Standorten. Dafür ist die Rekultivierung aufgrund der Nässe auf den zuletzt genannten Standorten schwieriger. Letztlich ist der sachgerechte Umgang mit den Bodenmaterialien entscheidend.

Zur Person:

Dr. Volker Wolfram ist öffentlich bestellter und vereidigter landwirtschaftlicher Sachverständiger. Er bietet Beratungs– und Dienstleistungen für Betriebe der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und des Gartenbaus sowie vor– und nachgelagerter Bereiche an. Dr. Wolfram ist u.a. Vorsitzender des Landesverbandes Hessen für den Fachbereich Sachverständige und Unternehmensberater beim Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS).

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