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Interview mit Dr. Dümpelmann zum „zellularen Ansatz“

Im Rahmen der Energiewende wird Strom zunehmend dezentral und weit entfernt von den Verbrauchszentren produziert. Deshalb muss das Stromnetz um- und ausgebaut werden. Im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern begegnen uns oft Forderungen nach einer „dezentralen Energiewende“ bzw. einer „Energiewende von unten.“ Als ein Beispiel dafür wird oft der „zellulare Ansatz“ genannt. Um mehr über den zellularen Ansatz und seine Möglichkeiten zu erfahren, haben wir Dr. Matthias Dümpelmann befragt. Er ist Geschäftsführer der 8KU GmbH, einem Zusammenschluss von acht großen kommunalen Energieversorgern.

Redaktion: Was ist der zellulare Ansatz und wer hat ihn entwickelt?

Dr. Dümpelmann: Der „zellulare Ansatz“ ist nicht neu. Das Grundkonzept einer solchen Energiewelt von unten wurde im Jahr 2015 vom VDE, dem Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, einem breiteren Fachpublikum in einer wissenschaftlich ausgearbeiteten Form zugänglich gemacht.

Der „zellulare Ansatz“ geht von der einfachen physikalischen Grundannahme aus: dass die verschiedenen Energieformen – z.B. Strom, Wärme oder Bewegung – ineinander transformierbar sind. Die Grundidee des Konzepts läuft darauf hinaus, dass beginnend auf der lokalen Ebene, von Haushalten bis zu Gewerbe und Industrie, sogenannte „Energiezellen“ gebildet werden, in denen der Austausch von erzeugter und verbrauchter Energie über die verschiedenen Einsatzformen plan- und steuerbar ausgestaltet wird. Diese lokalen Energiezellen werden elektrotechnisch und intelligent miteinander vernetzt. Was nicht auf der untersten lokalen Ebene ausgeglichen werden kann, wird eine Ebene höher geschoben, dort wiederum miteinander vernetzt usw. Der zellulare Ansatz ist somit eine Art „energetisches Subsidiaritätsprinzip“.

Redaktion: Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen oder angepasst werden, damit der zellulare Ansatz umgesetzt werden kann?

Dr. Dümpelmann: Der Grundansatz in der Energieregulierung und in der Energiegesetzgebung basiert immer noch auf der Vorstellung, dass Strom in Großkraftwerken erzeugt und über Transportleitungen in die Regionen gebracht und dort verteilt wird. Allerdings verliert diese zentrale Erzeugung an Bedeutung gegenüber dezentralen Ansätzen. „Dezentral“ bedeutet eine „lastnahe“ Energieversorgung, also eine nah am Verbrauch. Dieser Trend wird dadurch ergänzt, dass Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft auf neue Verbrauchsmodelle setzen. Warum nicht die Steuerung des eigenen Verbrauchs mit der eigenen Erzeugung und einem eigenen Speicher verbinden? Wenn das ganze vom Stadtwerk gemanagt wird, kann ich meinen eigenen Strom aus der Batterie dann dem Stromsystem zur Verfügung zu stellen, wenn es eine Knappheit gibt.

Der „zellulare Ansatz“ hilft, die Energiewende integriert zu denken. An den Technologien hierfür mangelt es nicht, aber es fehlen die politischen Rahmenbedingungen. Wir brauchen eine klärende Debatte darüber, wer wie weitreichend die Systembestandteile der Energiewende steuern darf.

Redaktion: Ist der zellulare Ansatz in allen Regionen Deutschlands umsetzbar?

Dr. Dümpelmann: Der Ansatz ist überall nutzbar; natürlich am besten dort, wo möglichst viele Energieformen direkt miteinander verbindbar sind. Also Strom, Wärme, Verkehr, Speicher, Fernwärme, Kraft-Wärme-Kopplung, Wind, Solaranlagen usw. Je breiter diese Palette ist, umso effizienter wird das Gesamtsystem. Wenn es nur eine ganz schmale Palette gibt, dann gerät der Ansatz an seine Grenzen.

Redaktion: Kann der zellulare Ansatz Ihrer Ansicht nach den Stromnetzausbau ersetzen?

Dr. Dümpelmann: Der Ausbau der Netzinfrastruktur wird nicht überflüssig. Der zellulare Ansatz macht weitere Systemreserven nutzbar und schafft Flexibilität im Stromnetz. Wenn das System effektiv und effizient gesteuert wird, kann der Stromnetzausbau zielgerichteter und in diesem Maße auch geringer ausfallen. Er kann sich auf jene Bereiche konzentrieren, wo er unabdingbar ist, etwa dort, wo regional tatsächlich aus keiner Technologie oder Technologiekombination die Deckung der regionalen Last möglich ist.

Redaktion: Was ist mit den Verbrauchszentren im Süden und Westen, in denen schon heute nicht mehr ausreichend Flächen für eine lastnahe Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen?

Dr. Dümpelmann: Natürlich hat der dezentrale Ansatz seine Grenzen dort, wo rein geografisch Last und Leistung auseinanderfallen. Für den Energieausgleich zwischen den Regionen bietet sich neben dem Stromnetzausbau auch die ja vorhandene und durchaus leistungsfähige Gasinfrastruktur an. Dies könnte so aussehen, dass Strom in Wasserstoff oder Gas umgewandelt und dann transportiert und im Süden im Wärmemarkt verwendet wird – natürlich nur dann, wenn sich diese Variante ökonomisch anbietet oder der Stromnetzausbau aus welchen Gründen auch immer nicht umgesetzt werden kann.

Redaktion: Kann der zellulare Ansatz auch Lösungswege für den durch die Verstromung der Sektoren Wärme und Verkehr ansteigenden Strombedarf aufzeigen?

Dr. Dümpelmann: Der zellulare Ansatz zielt gerade darauf ab, dass Energie in verschiedene Medien gewandelt werden kann. Strom kann in Wärme oder Treibstoff verwandelt oder direkt genutzt werden. Wichtig ist, dass die Kopplung von Sektoren keine Einbahnstraße ist.

Informationen zur Person:

Dr. Matthias Dümpelmann ist Energieexperte und berät u.a. kommunale Betriebe und Stadtwerke im Bereich Energie. Er ist Geschäftsführer der 8KU GmbH, in der sich acht große regionale Energieversorger in Deutschland zur Kooperation im Bereich Energieerzeugung -und Versorgung zusammengeschlossen haben.

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