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Dieses wird unabhängig durch das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) erhoben. (externe Internetseite).

Mitreden beim Stromnetzausbau

Auf einige BundesbürgerInnen wirkt der Ausbau des bundesweiten Stromnetzes von der Planung bis zur Umsetzung und Inbetriebnahme undurchsichtig. AnwohnerInnen äußern gelegentlich die Meinung, dass man an den „in Berlin beschlossenen Vorhaben“ ohnehin nichts ändern könne. Ein Irrtum – denn der Stromnetzausbau bietet mehr Möglichkeiten, sich zu beteiligen, als die meisten anderen Planungsverfahren in Deutschland. Es gilt jedoch wie bei jedem Bau: je weiter fortgeschritten die Planung, desto weniger lässt sich ändern.

Es ist enorm wichtig, dass die deutsche Energieversorgung im Herzen Europas durchgehend stabil bleibt. Das Stromnetz als Rückgrat der Energieversorgung wird immer stärker belastet, da konventionelle Kraftwerke wie Kernkraft- und Kohlekraftwerke abgeschaltet und alle Wirtschaftszweige sowie die Gesellschaft insgesamt immer stärker elektrifiziert werden. Daneben werden immer mehr erneuerbare Energien in das Stromnetz eingespeist. Dies führt dazu, dass nicht alle Regionen gleich gut mit Strom versorgt sind. Deshalb muss der Strom aus den erzeugungsstarken Gebieten insbesondere in Nord- und Ostdeutschland in die Verbrauchszentren im Westen und Süden transportiert werden. Dieser Stromtransport findet insbesondere im Höchstspannungsnetz statt. Aufgrund fehlender Übertragungsleitungen kommt es jedoch im Netz immer häufiger zu Engpässen und Überlastungen. Deshalb müssen Erneuerbare-Energien-Anlagen abgeschaltet werden und fossile Erzeugungsanlagen wie bspw. Kohlekraftwerke im Süden und Westen Deutschlands müssen einspringen.

Die Planung der Ertüchtigung und des Ausbaus des Stromnetzes werden kontrovers diskutiert. Für den Stromnetzausbau gibt es ein klar gesetzlich festgelegtes formelles Beteiligungsverfahren. An ihm können die Öffentlichkeit sowie Träger öffentlicher Belange1 in mehreren Schritten partizipieren, insbesondere im Zuge der sogenannten öffentlichen Konsultationen. BürgerInnen können so ihre Interessen im Zusammenhang mit dem Netzausbau frühzeitig einbringen.

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gewährleistet eine fortlaufend transparente und koordinierte Netzausbauplanung für das deutsche Höchstspannungsnetz. Bundesnetzagentur, Landesbehörden und Vorhabenträger führen dafür den vorgeschriebenen mehrstufigen Planungs- und Genehmigungsprozess gemäß Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) durch. Dabei gilt es einiges zu beachten und vor allem Fristen einzuhalten. Wir fassen kompakt alle wichtigen Schritte sowie Informationen unterschiedlicher Behörden und Vorhabenträger zusammen sowie Ihre Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Folgende formelle Beteiligungsschritte sind vorgesehen2:

Szenariorahmen

Zunächst beschreiben die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) alle zwei Jahre im Szenariorahmen, wie sich die deutsche und europäische Energielandschaft in den kommenden 10 bis 20 Jahren höchstwahrscheinlich entwickeln wird – also ob zum Beispiel der Stromverbrauch in Zukunft zu- oder abnehmen wird. Der Szenariorahmen berücksichtigt die jeweils aktuell gültigen Ziele, den zunehmenden Anteil an erneuerbaren Energien und den Einsatz von Speichern und anderen Technologien. Das am 24. Juni 2021 beschlossene Klimaschutzgesetz ist im aktuellen Szenariorahmen noch nicht enthalten. Zudem bezieht der Szenariorahmen die sogenannte Sektorkopplung in die Planungen ein. Darunter versteht man den Einsatz von (sauberem) Strom, etwa im Verkehrssektor durch E-Mobilität oder beim Heizen mit Wärmepumpen.

 

An dieser Stelle sollen sich BürgerInnen genauso beteiligen wie beispielsweise Verbände, Umweltvereinigungen oder Behörden. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) gibt die Konsultationsphase bekannt. Informationen zur Beteiligungsmöglichkeit, die alle zwei Jahre wiederkehrt, finden Sie auf der Internetseite der Bundesnetzagentur: www.netzausbau.de/szenariorahmen
Erst wenn sie alle Stellungnahmen und Hinweise sowie den gesamten Szenariorahmen umfassend geprüft hat, genehmigt sie diesen.

Netzentwicklungsplan

Der Szenariorahmen ist die Grundlage für den Netzentwicklungsplan (NEP). Dieser zeigt auf, welche Netzverstärkungs- und Netzausbauvorschläge für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb in den kommenden 10 bis 15 bzw. 15 bis 20 Jahren erforderlich sind. Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) entwickeln den NEP nach dem NOVA-Prinzip („Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau“): Sie versuchen zunächst, den Netzbetrieb zu optimieren, z. B. indem sie das Netz bei kühleren Außentemperaturen stärker belasten. Anschließend bemühen sie sich, die vorhandenen Leitungen zu verstärken. Erst wenn deren Kapazitäten ausgeschöpft sind, schlagen sie neue Leitungen für das Netz vor.

 

Beim NEP können BürgerInnen sowie Träger öffentlicher Belange [1] zweimal bei öffentlichen Konsultationen eine Stellungnahme abgeben. Die Informationen zu den Fristen für den ersten Entwurf finden Sie auf der gemeinsamen Internetseite der Übertragungsnetzbetreiber unter  www.netzentwicklungsplan.de und für die Konsultationsphase der BNetzA auf www.netzausbau.de/nep.

Die BNetzA prüft die Konsultationsbeiträge, bevor sie den NEP bestätigt.

Bundesbedarfsplan

Mindestens alle vier Jahre beschließt der Bundestag den Bundesbedarfsplan im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG). Dabei bindet er den Bundesrat ein, der Einspruch einlegen kann. Am Ende des Prozesses ist gesetzlich festgestellt, dass alle Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplan notwendig sind. Diese Vorhaben zu realisieren, ist im überragenden öffentlichen Interesse und für die öffentliche Sicherheit erforderlich. Eine ähnliche Funktion hatte bereits das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) von 2009 für die darin genannten Vorhaben.

 

Bei diesem Gesetzgebungsprozess ist nur eine indirekte Beteiligung der Öffentlichkeit über die politischen Mandatsträger in Bund und Ländern möglich. Mit dem Erlass des BBPlG stehen die Anfangs- und Endpunkte der künftigen Höchstspannungsleitungen fest. Wie sie genau verlaufen, wird in der Bundesfachplanung bzw. im Raumordnungsverfahren und anschließend in der Planfeststellung konkretisiert.

Bundesfachplanung oder Raumordnung

In der Bundesfachplanung oder Raumordnung konkretisieren die ÜNB ihre Planungen und schlagen einen möglichen Korridorverlauf sowie Alternativen dazu vor. In der Bundesfachplanung darf dieser Korridor bis zu einen Kilometer breit sein und ist zudem, anders als im Raumordnungsverfahren, für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren verbindlich. Wenn die geplante Leitung nicht als länder- oder grenzüberschreitend gekennzeichnet wurde, ist statt der Bundesnetzagentur eine Landesbehörde zuständig. In diesem Fall wird keine Bundesfachplanung, sondern ein Raumordnungsverfahren durchgeführt.

 

a) Bundesfachplanung


Nachdem der Vorhabenträger einen Antrag auf Bundesfachplanung bei der Bundesnetzagentur eingereicht hat, leitet diese das Verfahren ein. Das Ziel ist es, in einem zweistufigen Prozess einen ersten Vorschlag für den Trassenverlauf sowie Alternativen zu erarbeiten. Die Antragsunterlagen werden veröffentlicht. Die Hinweise der Bevölkerung und der Fachbehörden nimmt die Bundesnetzagentur auf. Daraus schnürt sie ein Aufgabenpaket für den Vorhabenträger – den Untersuchungsrahmen. Die vollständigen Unterlagen veröffentlicht die Bundesnetzagentur erneut, und zwar für einen Monat. Die Unterlagen werden spätestens mit Beginn der Auslegung auch im Internet unter www.netzausbau.de veröffentlicht. In der jeweiligen Bekanntmachung veröffentlicht die BNetzA (auch auf netzausbau.de) die Möglichkeit und Frist zur Abgabe einer Stellungnahme. In dieser Zeit kann jede/r Interessierte die Unterlagen einsehen und Hinweise, z. B. zu Fragen des Naturschutzes, einbringen. Am Ende dieses Schrittes legt die Bundesnetzagentur den Verlauf des Trassenkorridors exakt fest. Dieser ist dann verbindlich und kann nicht mehr geändert werden. Deshalb ist die Beteiligung in diesem Verfahrensschritt besonders wichtig.[2]

 

b) Raumordnungsverfahren

Das Raumordnungsverfahren (ROV) ist ein rein behördliches Verfahren. Es beginnt damit, dass die Vorhabenträger Anträge stellen und die Landesplanungsbehörde die Notwendigkeit des Verfahrens überprüft. Dann erfolgt die Genehmigung des ROV durch die Landesplanungsbehörde: In einigen Bundesländern (z. B. NRW, Niedersachsen) ist eine Antragskonferenz mit dem Projektträger, der Planungsbehörde, betroffenen Gemeinden, Fachbehörden und Naturschutzverbänden zur Besprechung der einzureichenden Unterlagen gesetzlich vorgeschrieben.

Danach muss der Projektträger die Verfahrensunterlagen, die allen betroffenen Behörden und Gemeinden mit der Aufforderung zu einer schriftlichen Stellungnahme zugeschickt werden, bei der zuständigen Behörde vollständig einreichen. Ist in das ROV eine Umweltverträglichkeitsprüfung integriert, kann jede/r BürgerIn innerhalb von sechs Wochen schriftlich Stellung nehmen. Ob die Einwände von Trägern öffentlicher Belange [1] sowie der Öffentlichkeit erörtert werden, kann die Landesplanungsbehörde entscheiden.

Die landesplanerische Beurteilung am Ende des Verfahrens kann dem Vorhaben aus raumordnerischer Sicht zustimmen, es ablehnen oder Bedingungen definieren, die das Vorhaben erfüllen muss. Sie ist nicht rechtsverbindlich, sondern wird als Gutachten bei der Entscheidung im anschließenden Zulassungsverfahren berücksichtigt.[3]

Planfeststellung

Das Planfeststellungsverfahren wird im Anschluus an die Raumordnung oder die Bundesfachplanung durchgeführt. Bei Vorhaben, die mehrere Bundesländer betreffen oder grenzüberschreitend sind, erfolgt dies gemäß Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG), bei Landesvorhaben nach § 43 EnWGIn diesem Planungsschritt wird der Leitungsverlauf „grundstücksscharf“ bestimmt. Der Übertragungsnetzbetreiber (Vorhabenträger) legt dazu genau fest, wie die Leitung verläuft und welche Grundstücke sie schneidet. Er bestimmt auch die Übertragungstechnik, etwa welche Erdkabel eingebaut werden bzw. bei Freileitungen die Art, Höhe und Standorte der Masten. Erst nach exakter Prüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung durch die zuständige Planfeststellungsbehörde wird dieser „Bauplan“ genehmigt.

 

Dazu führt die Planfeststellungsbehörde zu Beginn der Planfeststellung eine öffentliche Antragskonferenz durch. An ihr nehmen der Vorhabenträger sowie die betroffenen Träger öffentlicher Belange1 und Vereinigungen teil. Auch BürgerInnen können diese Antragskonferenz besuchen. Grundsätzlich liegen die Planfeststellungsverfahren in der Kompetenz der jeweils betroffenen Bundesländer. Verfahrensführende Behörde ist immer diejenige, die auch den vorherigen Schritt durchgeführt hat.

 

Das Planungssicherstellungsgesetz hat für die Zeit der Coronavirus-Pandemie festgelegt, dass die Planfeststellungsbehörde diese Konferenz zeitlich begrenzt bis zum 31.12.2022 auch schriftlich durchführen kann. An dem schriftlichen Verfahren können sich BürgerInnen ebenfalls beteiligen. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht die Termine für schriftliche Verfahren, die in ihrer Zuständigkeit liegen, regelmäßig auf netzausbau.de/beteiligung (Website der Bundesnetzagentur).

 

Stellungnahmen der kommunalen Behörden, Umweltschutzorganisationen und Verbände sowie der BürgerInnen können auch im Zuge des Planfeststellungsverfahrens schriftlich bei der Genehmigungsbehörde eingereicht werden. Betroffene GrundstückseigentümerInnen sowie die breite Öffentlichkeit werden i. d. R. vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens über die nächsten Schritte und Beteiligungsmöglichkeiten informiert.[2]


Der Bürgerdialog Stromnetz will außerhalb des formellen Beteiligungsverfahrens aufklären und frühzeitig mit Interessierten und Betroffenen kommunizieren. Die Initiative sieht sich neben Vorhabenträgern und Genehmigungsbehörden als Dialogplattform, die keine Rolle im Genehmigungsverfahren hat. BürgerInnen erfahren vom Bürgerdialog Stromnetz wie Energiewende sowie das deutsche und europäische Stromnetz zusammenhängen und erhalten sachliche Informationen auf ihre Fragen rund um Energiewende und Stromnetzausbau. 

Der Bürgerdialog Stromnetz bietet regelmäßig sowohl online als auch vor Ort Informationsveranstaltungen und Formate für alle Altersgruppen an. Es werden zahlreichen ExpertInnen verschiedener Hochschulen und Universitäten, von (Forschungs-)Verbänden und Bundesbehörden, aber auch Vorhabenträger und Energieversorger aller Spannungsebenen eingebunden, um alle Fragen zu beantworten. So schaffen wir die Grundlage für einen Dialog zwischen allen Beteiligten rund um den Stromnetzausbau in Deutschland. Die nächsten Veranstaltungen in Ihrer Region finden Sie hier: https://www.buergerdialog-stromnetz.de/veranstaltungen/

Juni 2021

[1] Definition: Der Begriff „Träger öffentlicher Belange“ bezieht sich auf Städte und Gemeinden, Fachbehörden, anerkannte Verbände (z. B. aus dem Naturschutz) und Vereine.

[2] www.netzausbau.de

[3] Raumordnungsgesetz ROG (https://www.gesetze-im-internet.de/rog_2008/)

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