Es ist ein besonders vielschichtiges und häufig diskutiertes Thema der Energiewende: die konstant sichere Stromversorgung – vor allem mit Blick auf den deutschen Kernenergie- und Kohleausstieg. Um die Nachfrage nach Strom jederzeit sicher und unterbrechungsfrei decken zu können, müssen Netzbetreiber, Behörden und weitere ExpertInnen eng zusammenarbeiten und vieles berücksichtigen.
In Informations- und Dialogveranstaltungen des Bürgerdialog Stromnetz werden von ExpertInnen immer wieder bestimmte Begriffe genannt. Nicht alle VeranstaltungsteilnehmerInnen wissen jedoch, was sie genau bedeuten. Informieren Sie sich in unserem Glossar mit einem Auszug wichtiger Fachbegriffe zur Versorgungssicherheit, damit Sie sich bei künftigen Bürgerdialog-Veranstaltungen vielleicht sogar noch besser einbringen können.
1. Erzeugungsadäquanz…
Die Erzeugungsadäquanz zählt zu den wesentlichen Faktoren der Versorgungssicherheit. Darunter versteht man die zuverlässige Erzeugung von Energiemengen, die im Stromsystem von Verbrauchern nachgefragt werden. Dazu wird zumeist untersucht, wie viel gesicherte Leistung benötigt wird, um die Strom-Nachfrage jederzeit decken zu können. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien spielt die Erzeugungsadäquanz daher eine immer wichtigere Rolle für die Versorgungssicherheit, weil wechselnde Wetterbedingungen bei Wind- und Solarstromerzeugung einkalkuliert werden müssen. Daher ist der Begriff der Erzeugungsadäquanz auch häufig Gegenstand von Studien und öffentlichen Diskussionen. [1]
2. Netzadäquanz…
Eine weitere Voraussetzung für eine zuverlässige Versorgung des Strombedarfs ist die Netzadäquanz. Sie beschreibt das Vorhalten der erforderlichen Transportkapazität zwischen gesicherter Erzeugung und Verbrauchern. Die Netzadäquanz ist ein wichtiger Bestandteil bei der Planung von Stromnetzen und gewinnt im Rahmen der Energiewende zunehmend an Bedeutung. Denn der Großteil des Windstroms wird in Norddeutschland erzeugt – Strom, der dann vor allem in den großen Industriezentren in Mittel- und Süddeutschland verbraucht wird. Netzadäquanz und Erzeugungsadäquanz zählen zu den planerischen bzw. langfristigen Elementen der Versorgungssicherheit und werden unter dem Begriff Systemadäquanz zusammengefasst. [1]
3. (n-1)-Prinzip…
Das (n-1)-Prinzip (sprich: N-minus-eins-Prinzip) oder die (n-1)-Sicherheit bezeichnet den Grundsatz, dass die Netzsicherheit auch dann gewährleistet bleibt, wenn eine Komponente, etwa ein Transformator oder ein Stromkreis, ausfällt oder abgeschaltet wird. Das heißt, es darf in diesem Fall nicht zu unzulässigen Versorgungsunterbrechungen oder einer Ausweitung der Störung kommen. Außerdem muss die Spannung innerhalb der zulässigen Grenzen bleiben und die verbleibenden Betriebsmittel dürfen nicht überlastet werden. Das (n-1)-Kriterium ist Grundbestandteil der deutschen Netzplanung und sorgt für die hohe Netzsicherheit in Deutschland. Fällt eine Leitung oder ein Transformator aufgrund eines Fehlers plötzlich aus, muss ein anderes Betriebsmittel übernehmen. Dabei darf nicht mehr Strom über das Betriebsmittel fließen als erlaubt. Sonst wird es überlastet und das Stromnetz kann zusammenbrechen. Daher werden die Betriebsmittel eines Stromnetzes nur mit etwa der Hälfte des maximal erlaubten Stromes betrieben, damit beim Ausfall einer Systemkomponente die andere Hälfte als Reserve zur Verfügung steht. [2]
4. Systemdienstleistung…
Systemdienstleistungen dienen dazu das Stromnetz sicher und stabil zu betreiben. Dabei sind die Netzbetreiber verantwortlich dafür, dass Frequenz, Spannung und Leistungsbelastung innerhalb bestimmter Grenzwerte bleiben. Dies geschieht nicht automatisch, sondern durch regelmäßige Korrekturen. Zu den Systemdienstleistungen zählen die Frequenzhaltung, die Ungleichgewichte zwischen Ein- und Ausspeisungen ausgleicht, sowie die Netzfrequenz auf ihrem Sollwert von 50 Hertz hält. Daneben muss auch die Spannung innerhalb eines bestimmten Bereichs gehalten werden. Das geschieht über die Spannungshaltung zum Schutz von Personen, Betriebsmitteln oder Verbrauchergeräten. Eine der bekanntesten Systemdienstleistungen ist beispielsweise die Regelenergie (siehe 5.)
Zur Überwachung des Netzbetriebs dient die Betriebsführung, bei der die Netzbetreiber ggf. steuernd eingreifen, etwa bei Leitungsüberlastungen. Um schließlich die Stromversorgung nach einem großflächigen Stromausfall schnellstmöglich herzustellen, gibt es den Versorgungswiederaufbau. Eine zentrale Rolle spielen dabei Kraftwerke, die ohne externe Stromversorgung anfahren können. Sie werden als „schwarzstartfähig“ bezeichnet.
5. Regelenergie…
Als Regelenergie – auch “Regelleistung“ genannt – bezeichnet man die Energie, die ein Netzbetreiber benötigt, um unvorhergesehene Leistungsschwankungen zur Stabilisierung der Frequenz im Stromnetz auszugleichen. Unterschieden wird zwischen positiver und negativer Regelenergie. Wenn die ins Netz eingespeiste Energie die zugleich entnommene Energie übersteigt, liegt ein Leistungsüberschuss und damit eine erhöhte Frequenz im Netz vor.
Um die Frequenz zu senken, benötigt der Netzbetreiber negative Regelenergie durch Stromabnehmer, die dem Netz kurzfristig Strom entziehen, oder durch Erzeugungsanlagen, die ihre Einspeisung verringern. Positive Regelenergie ist hingegen erforderlich bei unvorhergesehen erhöhtem Strombedarf. Der Netzbetreiber braucht dann kurzfristig zusätzliche Energieeinspeisung ins Netz.
Abweichungen zwischen Stromerzeugung- und Entnahme muss der Übertragungsnetzbetreiber durch den Einsatz von Regelenergie ausgleichen, damit es zu keiner Gefährdung der Systemstabilität kommt. Dafür stehen den Betreibern drei Möglichkeiten zur Verfügung:
6. Versorgungswiederaufbau…
Beim Versorgungswiederaufbau nach einem großflächigen Stromausfall, dem sogenannten Blackout, arbeiten Kraftwerksbetreiber und Netzdienstleister umgehend daran, die Stromversorgung wiederherzustellen. Bricht die Stromversorgung in einem bestimmten Gebiet zusammen, werden die dortigen Stromleitungen vom übrigen Netz getrennt. Benötigt werden dann Kraftwerke, die schwarzstartfähig sind, also ohne anfänglichen Strombezug aus dem Netz starten können. Dann können Zug um Zug Gruppen von Verbrauchern wieder aktiviert werden und weitere Kraftwerke mit dem Netz synchronisiert werden.
Erst wenn das Netz wieder stabil und mit dem Verbund synchronisiert ist, wird es wieder zugeschaltet. Im Gegensatz zum klassischen Aufbau von oben kann in zukünftigen Energienetzen auch ein Aufbau von unten erfolgen– also von der Nieder- und Mittelspannungs- zur Hoch- und Höchstspannungsebene. [4]
7. Engpassmanagement…
Zum Engpassmanagement gehören alle Maßnahmen, die ein Netzbetreiber einsetzen kann, um Leitungsüberlastungen durch Netzengpässe in seinem Netz zu vermeiden oder zu beheben. Solche Engpässe können entstehen durch Wartung, unvorhergesehene Ereignisse (abnormale Wetterkonstellation) oder verzögerten bzw. nicht erfolgten Netzausbau. Dem Netzbetreiber stehen hierfür verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, die gesetzlich geregelt sind. Dazu zählen Maßnahmen wie Redispatch und Einspeisemanagement, die bspw. erforderlich werden, wenn erneuerbarer Strom aus Windkraftanlagen nicht in die Verbrauchszentren in Mittel- und Süddeutschland transportiert werden kann. [5]
8. Redispatch…
Redispatch bezeichnet den Eingriff in die Einspeiseleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen. Zeichnet sich an einer bestimmten Stelle im Netz ein Engpass ab, werden Kraftwerke vor dem Engpass angewiesen, ihre Einspeisung herunterzufahren, während Anlagen nach dem Engpass ihre Einspeiseleistung in gleicher Höhe hochfahren müssen. Durch dieses Verfahren kann ein Lastfluss erzeugt werden, der dem Engpass entgegenwirkt. [6]
9. Einspeisemanagement…
Unter Einspeisemanagement versteht man die vorübergehende Reduzierung oder Unterbrechung der Einspeiseleistung von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie Anlagen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) in das Stromnetz. Dieser gezielte Eingriff erfolgt nur, wenn nicht ausreichend Netzkapazitäten verfügbar sind, um den erzeugten Strom abzutransportieren und der drohende Engpass nicht bereits durch andere geeignete Maßnahmen wie z. B. die Abregelung konventioneller Kraftwerke ausreichend entlastet werden konnte. [7]
10. Netzreserve…
Eine Netzreserve wird immer im Winterhalbjahr gebildet, um Kraftwerkskapazitäten für Netzeingriffe vorzuhalten. Kraftwerke für die Netzreserve laufen nicht im Regelbetrieb, sondern werden erst zugeschaltet, wenn die Bundesnetzagentur dies fordert. Für den Winter 2019/2020 betrug der Bedarf aus Netzreservekraftwerken insgesamt 5.126 Megawatt (MW). Im Winter 2022/2023 wird voraussichtlich eine knapp doppelt so große Netzreserve mit insgesamt 10.647 MW Leistung benötigt. [8]
11. Kapazitätsreserve…
Ab 2020 / 2021 werden außerhalb des Strommarktes Leistungskapazitäten in Höhe von 2 Gigawatt (GW) vorgehalten. Sie werden durch Ausschreibungsverfahren bestimmt, an denen Erzeugungsanlagen, Speicher sowie regelbare Lasten teilnehmen können, die dann ein Rückkehrverbot in den Markt erhalten. Wenn auf dem Markt nicht ausreichend Leistung verfügbar ist, dürfen diese auf Signal der Übertragungsnetzbetreiber ihre Leistung erhöhen. [9]
[1]https://www.dena.de/Ergebniszusammenfassung_Must_Run
[2]https://www.netzausbau.de/Glossareintraege_n-1-kriterium
[3]https://www.bundesnetzagentur.de/
[4] https://www.energiesystem-forschung.de/
[5]https://www.bundesnetzagentur.de/
[6]https://www.bundesnetzagentur.de/
[7]https://www.bundesnetzagentur.de/Leitfaden Einspeisemanagement/Leitfaden3_0
[8] Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung EnWG § 13d Netzreserve
https://www.bundesnetzagentur.de/Pressemitteilungen Netzreserve
[9] Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung EnWG § 13e Kapazitätsreserve
Weitere Quellen:
https://www.netzentwicklungsplan.de/de/wissen/glossar
https://www.netzausbau.de/glossar
https://www.bundesnetzagentur.de/
März 2021