Das Infrastrukturprojekt SuedLink wird einen großen Anteil am Gelingen der Energiewende in Deutschland haben. Die Stromtrasse soll von Nord- nach Süddeutschland als Erdkabel verlegt werden. Um bei der ca. 700 Kilometer langen Verbindung alle gegebenen Hinweise, die den Verlauf des SuedLink-Korridors beeinflussen, gesamtheitlich betrachten zu können, bedarf es einer detaillierten, guten Planung und Struktur. Bei den Planungen rund um den SuedLink wurde dazu von Beginn an ein Geoinformationssystem genutzt, in welches jeder Hinweis von Bürgerinnen und Bürgern, Kommunen, Naturschutzverbänden und Vereinen aufgenommen wurde und weiterhin aufgenommen wird.
Wir haben dazu mit dem Ingenieur Walter Wakolbinger aus dem ARGE SuedLink-Team (Zusammenschluss mehrerer Fach- und Planungsbüros, Anm. d. Red.) gesprochen und ihn zu den Möglichkeiten befragt, wie die Hinweise in das Planungsverfahren einfließen können:
Redaktion: Bei der SuedLink-Planung kommt ein sogenanntes WebGIS-Tool zum Einsatz. Was ist das und was bewirkt es?
Wakolbinger: Zur Unterstützung der Planung und Kommunikation dieses Mammutprojekts, haben die verantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber TenneT und TransnetBW zusammen mit der ARGE SuedLink und dem Beratungsunternehmen Arcadis, ein kartenbasiertes Online-Tool zur Planungsbeteiligung aufgesetzt: das WebGIS (GIS = Geoinformationssystem). Das Tool kam bereits zum Auftakt der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung im Herbst 2016 zum Einsatz – noch vor Beginn des Genehmigungsverfahrens bei der Bundesnetzagentur.
Mit Hilfe des SuedLink-WebGIS konnten und können Interessierte sich aktiv an der Planung beteiligen und punktgenau Hinweise auf einer Karte eintragen. Sofern die Nutzenden des WebGIS Kontaktdaten hinterlassen, erhalten sie eine fachlich geprüfte Antwort zu ihrem Hinweis zugeschickt, die zugleich im WebGIS dokumentiert wird. So konnten alle Bürgerinnen und Bürger bequem von Zuhause oder unterstützt durch unsere Expertenteams an den WebGIS-Stationen auf Infoveranstaltungen die vorgeschlagenen Erdkabelkorridore nachvollziehen und sich einbringen. Die große Resonanz aus der Bevölkerung führen wir hauptsächlich auf dieses Beteiligungsangebot zurück. So wurden bereits in der zweimonatigen informellen Phase im Herbst 2016 alleine über das WebGIS rund 6.600 räumliche Hinweise registriert, die, sofern relevant, bereits bei der Planung berücksichtigt wurden oder im weiteren Verlauf des Verfahrens noch berücksichtigt werden.
Eine Besonderheit ist, dass auch Hinweise aus anderen Quellen, die schriftlich im Verlauf des Planungsprozesses an TenneT und TransnetBW gerichtet wurden, im Hintergrund durch Arcadis ebenfalls geo-referenziert (sprich: raumbezogene Daten werden einem Datensatz zugeordnet, Anm. der Redaktion) und nach Abschluss der Prüfung sowie Beantwortung, im WebGIS dokumentiert werden. Auf diese Weise werden alle räumlich verortbaren Hinweise aus der Öffentlichkeit, die für die Planung bisher geprüft und berücksichtigt wurden, online sichtbar – das sind über 10.000 räumliche Hinweise und Sachverhalte.
Redaktion: Worin sehen Sie die Vorteile des Tools bei der Öffentlichkeitsbeteiligung zum SuedLink?
Wakolbinger: Bei den Veranstaltungen sind die WebGIS-Stationen ein wertvolles Instrument um die Planungen im Raum Schritt für Schritt zu erläutern und Vorschläge für Anpassungen am Bildschirm gemeinsam zu diskutieren. Wir können die Hinweise aus der Öffentlichkeit mit genauen Koordinaten verknüpfen und so das lokale Expertenwissen in die Planungsunterlagen einfließen lassen. Auch die Hinweisgeber können sich vorab informieren, welche Fakten und Schutzgebiete wir bereits berücksichtigt haben.
Zudem werden wir auf Informationsveranstaltungen und in Gesprächen vor Ort auch immer wieder auf ähnliche Situationen im Planungsraum angesprochen. Über das WebGIS kann das Team vor Ort schnell unsere aktuelle Einschätzung zu dem Sachverhalt abgleichen. Dadurch wird auf Hinweise und Fragen zur Planung stets konsistent und transparent eingegangen.
Mit dem Online-Planungstool wird es auch leichter, verschiedene Hinweise zu einem Sachverhalt, z. B. eine schützenswerte Tierart, im Hintergrund zusammenzufassen. Bereits vorhandene Hinweise können durch Informationen anderer Hinweisgeber ergänzt oder korrigiert werden. Und je nach ihrer Behandlung in den Antragsunterlagen können alle Kriterien gruppiert ein- und ausgeblendet werden.
All das ermöglicht einen umfassenden Blick hinter die Kulissen, z. B. welche Daten von den Fachplanern bei der komplexen Aufgabe der Korridorfindung letztendlich berücksichtigt werden.
Redaktion: Welche Art von Hinweisen bekommen sie?
Wakolbinger: Grundsätzlich erreichen uns sehr unterschiedliche Hinweise über eine Vielzahl von Themen. Diese reichen von Angaben über Drainagen, landwirtschaftliche Sonderkulturen, Biotope, Bodendenkmäler oder auch schützenswerte Arten. Neben Privatpersonen nutzen insbesondere Kommunen sehr häufig das WebGIS und weisen zum Beispiel auf Altlasten, Flächennutzungsplanungen oder zu kreuzende Leitungen hin. Privatpersonen und Kommunen bilden zu jeweils einem guten Drittel die größten Gruppen bei den Hinweisgebern.
Redaktion: Wie haben die Hinweise die Planungen beeinflusst? Welchen Mehrwert haben Sie als Planer durch Hinweise aus dem WebGIS-Tool?
Wakolbinger: Auf Basis der eingegangenen Hinweise aus der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung 2016 haben wir die Planung an 28 Stellen angepasst – noch vor Beginn des behördlichen Genehmigungsverfahrens. Die lokale Expertise der Menschen vor Ort hat damit wesentlich dazu beigetragen, die Planung für SuedLink zu verbessern.
Redaktion: Können Sie ein konkretes Beispiel benennen?
Wakolbinger: Zahlreiche Hinweise gingen im Herbst 2016 aus dem Landkreis Eichsfeld (Thüringen) ein. Hier querte der ursprüngliche Korridorvorschlag Nr. 78 den Höhenzug Dün und schmale Waldflächen. Zudem befand sich eine Siedlungsfläche (Kefferhausen) im Korridorvorschlag. Zwar gilt bei Erdverkabelung kein gesetzlich vorgeschriebener Abstand zu Wohnbebauung, dennoch ist es das planerische Ziel beim SuedLink, den Abstand bestmöglich zu maximieren. Durch die Anpassung des Korridorvorschlags werden diese sogenannten Raumwiderstände sowie bautechnische und planerische Konfliktbereiche umgangen. Außerdem verläuft der geänderte Korridor nun in weiterer Entfernung zur Unstrutquelle.
Redaktion: Wird das Tool auch weiterhin zum Einsatz kommen?
Wakolbinger: Dank des WebGIS-Tools konnten die Planungen verändert und dadurch verbessert werden. So wurden 2018 aufgrund von Vorschlägen aus den Antragskonferenzen der Bundesnetzagentur, dem ersten formellen Beteiligungsschritt im Zuge des behördlichen Verfahrens, vereinzelt Anpassungen an den möglichen Korridoren vorgenommen, über die wir in den Regionen informiert haben. Und in diesem Rahmen haben wir natürlich auch neue Hinweise erhalten, die wir nun in den nächsten Planungsschritten berücksichtigen werden. Denn auch bei der Entwicklung der konkreten Leitungsführung des SuedLinks werden wir das Online-Beteiligungstool WebGIS wieder einsetzen.
Zur Person:
Walter Wakolbinger von ILF Consulting Engineers ist Fachbereichsleiter Geographische-Informations-Systeme (GIS) der ARGE SuedLink und hat das Online-Beteiligungstool mitkonzipiert und umgesetzt. Die ARGE SuedLink ist ein Zusammenschluss der Gutachterbüros Froelich & Sporbeck GmbH & Co. KG, Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung mbH, IBUe Ingenieurbüro für Umwelt und Energie GmbH & Co. KG und ILF Consulting Engineers GmbH. Sie ist von TenneT und TransnetBW beauftragt die Bundesfachplanungsunterlagen des Projekts SuedLink zu erstellen.