Bürger fragen - Wir antworten
Produktivität von Windkraftanlagen in Bayern
Da hier in Bayern (aber wahrscheinlich auch in anderen Bundesländern) immer wieder argumentiert wird, dass wir die großen Übertragungsleitungen Südost-Link und Süd-Link gar nicht brauchen, weil wir unseren Strom selber erzeugen können, suche ich nach „plakativen“ Zahlen für Gegenargumente.
Mir ist absolut klar, dass wir uns hier nicht mit Photovoltaik und bei den vielen Widerständen erst recht nicht mit Windenergie selbst versorgen können. Man findet zwar viele Zahlen über den Bedarf und die Erzeugung von erneuerbaren Energien in TWh/a auch im Vergleich mit Norddeutschland, aber diese sind doch sehr abstrakt.
Deshalb suche ich eine Quelle (vielleicht können Sie auch direkt Zahlen nennen) zur Produktivität von Windkraftanlagen in Bayern, die besser greifbar sind: z. B., wie viele Windräder mit 3 MW Nennleistung bräuchte man in Bayern im Vergleich zu Norddeutschland bzw. Offshore-Anlagen für die Eigenversorgung und wieviel zusätzliche Flächen bräuchte man für Photovoltaik? Mir sind leider keine Zahlen für eine sinnvolle Aufteilung zwischen Windkraft und Photovoltaik + weitere EE bekannt.
Wenn man zusätzlich noch Standardwerte für die Kosten hätte, sollte man (so hoffe ich) auch aus rein wirtschaftlicher Sicht für die Übertragungsleitungen argumentieren können.

Antwort von der Redaktion
Hallo Herr R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
In der Tat ist es schwierig oder sogar unmöglich, dass sich Süddeutschland oder Bayern autark versorgt. Die Herausforderung liegt hier insbesondere darin, die Nachfrage der Verbrauchszentren vor Ort zu decken.
In Bayern hat eine Windkraftanlage ca. 1.800 Volllaststunden pro Jahr, wohingegen in Norddeutschland mit ca. 2.500 Volllaststunden pro Jahr gerechnet werden kann. Bei Offshore Anlagen liegen die Volllaststunden pro Jahr mit ca. 4.500 noch deutlich höher. Um eine norddeutsche Onshore Anlage in Bayern zu ersetzen, bräuchte man also 1,4 Anlagen in Süddeutschland. Für eine Offshore Anlage beträgt der Wert 2,5. PV-Anlagen weisen nur ca. 1.200 Volllaststunden pro Jahr auf. Zudem wird nachts kein Strom erzeugt, der für die Industrie dann bspw. aus Speicher bereitgestellt werden müsste. (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/224720/umfrage/wind-volllaststunden-nach-standorten-fuer-wea/#:~:text=Wind%2DVolllaststunden%20nach%20typischen%20Standorten%20f%C3%BCr%20Windenergieanlagen%202021&text=Offshore%2DWindenergieanlagen%20in%20Deutschland%20mit,sich%20hier%20als%20am%20besten ; https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf
Das Forschungsinstitut FfE hat sich der Fragestellung gewidmet, ob Bayern sich autark versorgen könnte. In einer Kurzstudie haben Sie untersucht, wie viel Fläche für die autarke Versorgung Bayerns notwendig wäre. Sie legen einen sinnvollen Energiemix zugrunde und kommen zum Ergebnis, dass für Windkraft ca. 770 km² (Stand heute: 180 km²), für Solarenergie 900 km² (Stand heute: 150 km²), für Biomasse 25.000 km² (Stand heute: 18.500 km²) und für Speicher 55 km² (Stand heute: 0 km²) nötig wären. Dabei wird 20 % des Stroms aus Windkraft, 65 % aus PV-Anlagen, 8 % aus Biomasse und 8 % aus Wasserkraft produziert.
Das FfE prognostiziert, dass Bayern dann ca. 13 GW installierte Leistung Windenergieanlagen benötigt und ca. 80 GW installierte Leistung PV-Anlagen. Um diese Werte zu erreichen, müsste der Zubau das Fünffache des historischen Mittelwert betragen. (Quelle: https://www.ffe.de/wp-content/uploads/2021/11/FfE-VBEW-Kurzstudie-Energiewende-jetzt.pdf)
Die Kosten für den Ausbau und insb. die Abregelung der Anlagen wäre dabei jedoch massiv. Zwar wird der Übertragungsnetzausbau nach Schätzungen ca. 100 Mrd.€ kosten.
Das mag zunächst viel erscheinen, gesamtwirtschaftlich und langfristig aber senkt der Netzausbau insgesamt die Kosten der Energiewende. Aktuell fallen hohe Kosten der Netzengpassbewirtschaftung (Summe der Kosten für Redispatch, Einspeisemanagement, Reservekraftwerke) an. Diese jährlich anfallenden Kosten beliefen sich 2019 auf über 1,2 Mrd. Euro. Sie werden ohne deutliche Fortschritte beim Netzausbau in den kommenden Jahren weiter steigen.
Hinzukommt, dass bspw. ein Ausbau von mehr erneuerbaren Energien vor Ort dazu führen würde, dass auch das Verteilnetz in großem Umfang modernisiert und ausgebaut werden müsste. Umso mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen ans Verteilnetz angeschlossen werden, desto mehr Netzausbau wird auch im Verteilnetz notwendig. Wie hoch diese Kosten wären, lässt sich aktuell nicht genau vorhersagen. Im Jahr 2018 lagen die Investitionen und Aufwendungen in das Verteilnetz bei über 6,4 Milliarden Euro. (Quelle: Netzentwicklungsplan 2035 (2021; BNetzA & BKartA Monitoringbericht 2019)
Auch wenn es theoretisch möglich wäre, Bayern autark zu versorgen, ist der Übertragungsnetzausbau zur Umsetzung der Energiewende und zur Erreichung der Klimaziele ökonomisch die sinnvollste Lösung. Zudem wird der Netzausbau auch zu deutlich weniger Akzeptanzproblemen führen.
Ihr Bürgerdialog Stromnetz-Team
2 Kommentare
Die in der Antwort angegebenen Zahlen, welche korrekt sind, zeigen doch, dass es so nicht funktioniert. Autark ist man wenn elektrischer Strom zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Das Jahr hat aber 8760 Stunden und keine 2500 Stunden. Je größer die Anzahl der volatilen Einspeiser ist, desto größer auch der Speicherbedarf. Wenn der Wind nicht weht ist es egal wieviele Windräder man installiert hat. Autarkie mit Windrädern und PV erreichen zu wollen funktioniert physikalisch nicht.
Sehr geehrter Herr Iwannek,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Genau aus diesem Grund wird Autarkie auch nicht angestrebt, da diese zu viel Erzeugungs- und Speicherkapazität erfordert. Ebenfalls ist es richtig, dass dann der Ausbau von Wind und PV zu einem regionalen Über- bzw. Unterangebot von Strom führen kann.
Dieses kann jedoch ausgeglichen werden, wenn es ein überregionales Netz gibt. So profitieren Regionen von Wetterlagen, welche in anderen Bundesländern oder sogar in anderen Ländern vorherrschen. Hier kommt das Übertragungsnetz ins Spiel, welches als europäisches Verbundnetz Stromangebot und Nachfrage decken und die Versorgung sicherstellen soll.
Außerdem wird die installierte Leistung an erneuerbaren Energien deutlich größer sein, als unser Verbrauch, sodass wir uns auch in Phasen mit weniger Wind oder Sonne versorgen können. Entsprechende Erzeugungsspitzen werden dann mit Speicher abgepuffert und so die Stromproduktion zeitlich verschoben.
Wir hoffen, dass wir Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team vom Bürgerdialog Stromnetz